Ausstellung
Im Rahmen des Jahresprogrammes der Galerie der Stadt Schwaz, das sich 2012 mit der Frage der Produktionsbedingungen beschäftigt, zeigen wir ab November eine Ausstellung von Mirjam Thomann. Ging es in den Ausstellungen „Walter Obholzer“, „Ändere dich, Situation“, „Trailer.Park“ von Constanze Ruhm und „Unter den Schwarzen“ von Johannes Porsch um die Befragung der Durchdringung der künstlerischen Medien Malerei, Fotografie und Film mit ihren jeweiligen politischen Bedingungen, und, im Fall von Johannes Porsch, um die Figuration des Künstlersubjekts, legt Mirjam Thomann den Fokus ihrer künstlerischen Arbeit auf die Zusammenhänge von Ausstellungen als Zeige- und Arbeitsform. In ihren „Aufstellungen“ werden Produktionsbegriffe auch aus feministischer Perspektive beleuchtet. Dabei spielt die Frage der Arbeitsbedingungen eine bedeutende Rolle, für die die Künstlerin Begriffe wie Poesie und Empathie genauso in Anspruch nimmt wie partizipative Handlungsformen.
Das Palais Enzenberg in Schwaz wurde im Jahr 1515 von Veit Jakob Tänzel erbaut. Das Gebäude, das nach wie vor im Besitz der Tiroler Adelsfamilie ist, zeichnet sich durch einige architektonische Besonderheiten aus, wie die Fassadengestaltung oder die Verbindung zwischen Palais und der benachbarten Pfarrkirche, die nur wenige Jahre vor der Errichtung des Palais geweiht worden ist. An den Proportionen der Ausstellungsräume der Galerie der Stadt Schwaz im ersten Stock des Gebäudes und vor allem an ihren Durchgängen lässt sich die alte Bausubstanz ausmachen. Die junge Berliner Künstlerin Mirjam Thomann macht nun diese Durchgänge in den Räumen der Galerie zum Angelpunkt ihrer Ausstellung.
Dass das Format „Ausstellung“ ein relativ junges Medium ist, mag angesichts der Tatsache, dass es sich doch zweifelsohne im gegenwärtigen Kunstbetrieb um die gängigste Form künstlerischer Präsentationen handelt, verwundern. Doch erst mit der Loslösung von den Präsentationsweisen der Akademien und Salons Ende des 19. Jahrhunderts erlangte das Interesse, Exponate in einen relationalen Zusammenhang zu bringen, einen Stellenwert, der die Ausstellung als Möglichkeits- und Aktionsraum für ein kritisches, analytisches sowie konstruktives und gestaltendes Denken und Arbeiten begreifbar macht.
Mirjam Thomann rekurriert in ihren künstlerischen Arbeiten und Interventionen immer wieder auf spezifische Momente der Ausstellungsgeschichte. So nahm sie Konzeptionen der brasilianischen Architektin und Designerin Lina Bo Bardi auf, die in den 1960er Jahren ein Ausstellungsdisplay entwickelt hat, das nicht zuletzt die Bewegungsabläufe der Besucher_innen in den Blick nahm, und so deren ästhetische Wahrnehmung entscheidend prägte. Mirjam Thomanns Interesse gilt den historischen und politischen Voraussetzungen, die aktuellen Raumkonzepten zu Grunde liegen, mit denen sie arbeitet und deren Wirkungsmächtigkeit sie als Gestaltungskraft einsetzt.
Für die Ausstellung in der Galerie der Stadt Schwaz entwickelt sie eine Serie neuer Arbeiten, die, wie erwähnt, die ortsspezifischen Bedingungen der außergewöhnlich tiefen Türlaibungen zum Ausgangspunkt nehmen. Diese Raumschwellen, die den Übergang vom Flur in die Ausstellungsräume kennzeichnen, rahmt Mirjam Thomann mit Gestellen aus verchromten Rundrohren. An den Gestellen wurden Lamellentüren mit Gurtbändern aufgehängt, die wiederum als Halterungen für gefaltete Papiere dienen, auf denen Fragen aus einem Interviewbogen zu Arbeitsbedingungen gedruckt sind. Auf horizontalen Ablagen, die ebenfalls an die glänzend polierten Metallrohre montiert sind, wird außerdem eine Serie von Aschenbechern präsentiert, in die fleischfarbene Flecken geschüttet wurden. Mit dieser Zeichenabfolge entwickelt Thomann ein Vokabular, das eine Form der Narration in Gang setzt, die gleichermaßen performative wie bildästhetische Strukturen aufweist.
Gemäß ihrer ursprünglichen Funktion würden die Metallstangen als Konstruktionselemente für Umkleidekabinen in Warenhäusern eingesetzt werden. Die Schwazer Installation trägt diese Anwendung noch in sich, obgleich sie diesen Raum nicht buchstäblich abbildet, als vielmehr sein Transformationspotential aufruft. Mirjam Thomann nimmt sich den Parcours durch den Ausstellungsraum vor, der sowohl durch die jeweiligen architektonischen Gegebenheiten wie durch das Blickregime der ästhetischen Konzeption der Ausstellung geformt ist. Türen, Schwellen und Übergänge bilden dabei so etwas wie einen Raumschnitt, einen krisenhaften Einschnitt, an dem eine Änderung, Drehung oder Wendung vollzogen werden kann.
Die halb-offenen Lamellen werden dabei zu Bildflächen, die im Raum hängen, und die Sichtachsen modulieren: Sie verdecken die Sicht, eröffnen Durchblicke und schaffen Bildschnitte. Nun sind das Funktionen, die einem gewöhnlichen Fensterladen genauso zuzuschreiben sind wie einem durch den Kontext der Ausstellung ästhetisierten Objekt. Mehr als um die Überlappung angewandter und autonomer Eigenschaften geht es hier aber um eine Differenzierung von Innen- und Außenraum. Während die klassische Narration des Bildes, das im Geviert der Lamellen zitiert wird, auf die Tradition der Bildkonzeption des Fensters verweist, emanzipieren sich bei Mirjam Thomann die Formelemente, indem sie die Gegensätzlichkeit von Innen und Außen aufheben, beziehungsweise die Räume dazwischen zu Hauptakteuren macht.
Im habituellen Gestus des Rauchens sieht Mirjam Thomann die Performanz des durch eine Bewegung sprechenden Körpers verdichtet. Die an den Metallrohren angebrachten Aschenbecher fungieren dabei als Haltestellen, in denen sich der Vollzug der Handlung manifestiert. Lust und Genuss als Kulturtechniken werden dem Rauchen, das durch die Regulierung der Körper nahezu monströs erscheint, abgesprochen. Mirjam Thomann lässt nun die Körper, die in dem malerischen Dispositiv der fleischfarbenen Flecken zum Ausdruck kommen, frei im Raum flottieren. Die punktuell eingestreuten Interviewfragen können dabei sowohl als parallel stattfindendes Selbstgespräch der Künstlerin über ihren Produktionsprozess, als auch als Dialog mit den Ausstellungsbesucher_innen gelesen werden.
Im Eingang der Galerie der Stadt Schwaz hängt schließlich eine Serie von Garderobenbildern, die Mirjam Thomann in Kooperation mit Jan Timme entwickelt hat. Ein Cartoon aus dem New Yorker, der zwei herunter gekommene Kerle zeigt, die sich die gute Nachricht zurufen, dass ein Paradigmenwechsel bevorsteht, bildet das Grundmotiv, das mittels Siebdruck als Rapport auf die Leinwand übertragen wurde. Auf der Bildoberfläche wurden außerdem Schachfiguren in unterschiedlichen Stellungen zueinander angebracht. Mirjam Thomann und Jan Timme laden die Besucher_innen nun ein, die Bilder tatsächlich als Garderobe zu benutzen, wobei die Schachfiguren als Aufhänger dienen. Wiederum provoziert der Bereich zwischen Funktion und Autonomie die Frage nach dem Stellenwert des Kunstwerks, seinem Nutzen und seiner Verwertbarkeit. Die großspurig behauptete Verschiebung der Paradigmen kündet von einem vertrauten Verhältnis zur Theorie, das sich selbst jedoch offensichtlich nicht allzu wichtig nimmt.
Text: Eva Maria Stadler