Ausstellung
Die junge Brasilianerin Roberta Lima (1974) zeigt in der Stadtgalerie Schwaz eine umfassende Personale. Sie bezeichnet sich selbst nicht als Performance Künstlerin im ausschließlichen Sinne. Bis 2002 studierte sie Architektur in Brasilien und entschloss sich von 2003 bis 2007 bei Prof. Matthias Hermann an der Akademie der Bildenden Kunst in Wien zu studieren. Ihr Körper ist Projektionsfläche für Aktionen, die die Hypostasierung des Körpers im 21. Jahrhunderts spiegeln.
Roberta Lima recherchierte alternative Körperkonzepte. Erste Anhaltspunkte fand sie in der Welt des Zirkus. „Zirkuskünstler sind ein gutes Beispiel für das was ich unter subversiven Körperkünstler verstehe“, sagt Lima. Die Artisten gehen mit ihrer Selbstdarstellung an die Grenzen ihrer körperlichen Belastbarkeit. Jede Bewegung ist kalkuliert und kontrolliert, um das Publikum in Erstaunen zu versetzen. Vor allem in Trapezkünstlerinnen sieht Lima erste Geschlechter übergreifenden Künstleridentitäten (Transgender) verwirklicht, da sie augenscheinlich feminin im Auftritt sind, aber Kräfte mäßig ihren männlichen Kollegen ebenbürtig sein müssen, um die anspruchsvollen Kunststücke umzusetzen. War der Zirkus noch zentrales Konzept der vor-industriellem Unterhaltung, so hat sich die Strategie der Körper-Attraktionen im 21. Jahrhundert zunehmend ins Private verlagert.
Eine Doppeldeutigkeit, die auch auf sie selbst zu zutreffen scheint: „Man könnte sagen, dass ich süß aussehe. Ich komme aus Brasilien und dort ist der Körper stark sexuell aufgeladen und muss ordentliche Kurven haben. Damit konnte ich nie etwas anfangen und fühlte mich von jeher in Brasilien als Freak. Erst nachdem ich nach Europa gegangen bin, erkannte ich, dass ich eine Feministin bin,“ aufgezeichnet in einem Arte Interview 2008. Wie der Titel der Ausstellung schon verdeutlicht, geht Lima einen bewussten Weg zwischen der Überschreitung und der Aufzeichnung. Mittels body modifications (dt. Körpermodifikationen) wird ihr zierlicher Körper zum kontrollierten Instrument, um die Schmerzgrenze in subtiler Weise zu überschreiten.
Der Schoß wird zum zentralen Ort ihrer Auseinandersetzung und steht exemplarisch für Weiblichkeit und Mutterschaft. Sie pierced sich Ringe durch die Haut der Schenkelinnenseiten, um einer Korsage ähnlich ein fleischfarbenes Seidenband durch die Ringe zu ziehen. Sie näht sich mit sterilen Operationsfäden, Bilder ihrer lang verstorbenen Familienmitglieder auf den Schenkeloberflächen auf. So grausam und unangenehm diese Interventionen für den Betrachter anmuten mögen, so real, freiwillig und selbstverständlich sind diese Schmerzen für Patienten der Schönheitschirurgie. Dies trifft auch für Menschen zu, die sich für modische Zwecke oder aus innerer Überzeugung piercen lassen.
Die aktuelle Performance Kunst steht an einem Scheidepunkt. Stellte sie in den 60 er und 70 er Jahren noch die Analyse der Frau als Opfer und Projektion des Bildes einer patriachalen Gesellschaft, wird dieses Konzept mit der vermeintlichen Selbstbestimmung der Frau im 21. Jahrhundert radikalisiert. Juliane Feldhoffer schreibt zusammenfassend über die Künstlerin: „Roberta Lima macht ihren Körper zum Ort des Experimentes. Sie hinterfragt mit ihren radikalen Aktionen die körperliche Norm und Disziplinierung gesellschaftlicher Konventionen. Das Mittel der Bodymodification verwendet sie aber nicht zum Zweck reiner Sensation, sondern sieht darin für sich einen Weg, gesellschaftliche psychische wie physische Reglementierung maximal distanzlos erfahrbar werden zu lassen. Um den transgressiven Aspekt ihrer Aktionen immer wieder in eine diskursive Auseinandersetzung zurück zu holen, inszeniert sich Lima [...] in auffallender Ästhetik und Zurückhaltung, die dem üblicherweise erwarteten Spektakel von Schmerz entgegen läuft; statt dessen stellt sie der stereotypen Auffassung vom Schutzbedürfnis der Frau ein Bild innerer Stärke gegenüber.“